Der Anfang

Der Anfang (Kap.2)

Schon Fahne, dessen Arbeit sonst kaum zu verwerten ist in Bezug auf unsere Familiengeschichte, die mir aber doch den Anstoß lieferte, erwähnt Helmerich v. Burnheim und seinen Bruder Giso als erste urkundende Mitglieder des Hauses 1150. Die Überlieferung aber will noch weiter zurückreichen. Bereits die Koelhoffsche „Chronika der hilligen Stadt Cöln“ von 1499 spricht von den 15 Geschlechtern, die zur Regierungszeit des Kaisers Trajan um 100 nach Christus von Rom in die Colonia Agrippinensis zogen, um dort, im Land der Ubier, „zu raeden int zu richten“.

Gelenius rechnet in seiner „De Magnitudine Coloniae“ (S. 161) 1645 die Schilling v. Bornheim und Buschfeld zu den Familien römischen Ursprungs; danach finden sie ihren Stammvater unter dem römischen Militär, die Latinisierung von Schilling „solidus“ hängt mit dem deutschen Söldner zusammen und soll dem Begriff „Recke“ verwandt sein.

In der Kolonie waren zwei Legionen stationiert, und auf die eine, die vierzigste, soll das Gitter im Stammwappen als vier römische Zehner hinweisen (XXXX). Solche Wappensagen und „Überlieferungen“ blühten gerade in Köln, dem die Antike stets naheblieb, besonders, ihre Stichhaltigkeit freilich steht auf einem anderen Blatt.  

Der Rittergeschlechter namens Schilling gab es viele, namentlich die der Schilling zu Bornheim, Buschfeld und Rile (eines Stammes), die zu Lahnstein, Gustorf, Villich, Broich (in Spich), Moorien und Cannstadt. Zur Deutung dieses Namens, der sich nicht von einem Ort ableitet und zuerst mit Wilhelm I. ab 1173 auftaucht, wird es bei diesem kommen.

Die Zeit um 1200-1250 bildet zumeist die Grenze für die Geschichte uradliger Geschlechter. Die Urkunden des 12. Jahrhunderts fließen spärlich; oft nennen sie Personen nur mit ihren Vornamen, da sich die Familiennamen erst allmählich entwickeln. Nähere Kennzeichnung der urkundenden Personen war bei ihrer verhältnismäßig geringen Anzahl kaum nötig.

Die gesicherte Stammfolge beginnt mit Wilhelm I., der ab 1173 als Wilhelm Schilling, Scilline, Scilline oder lat. solidus urkundet. Der Versuch, seine Herkunft zu bestimmen, stößt schon allein auf die Schwierigkeit, dass dieser Beiname vor ihm nicht zu finden ist. Seine ständische Zugehörigkeit ergibt sich eindeutig aus dem Auftreten ausdrücklich unter den Ministerialen des Erzbischofs in den verschiedenen Urkunden, nicht also unter den Dynasten.  

J. H. Merlo (Annalen d. Historischen Vereins für den Niederrhein, Band 32, S. 133 „Das Frauenkloster Schillingskapellen“) betont dagegen, er gehöre nicht zu den Ministerialen. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass er sich aus einer ehemals freien Familie in die Ministerialität begeben hat, d. h. also vom freien Herrn zum Lehnsträger des Bischofs geworden wäre – eine Entwicklung, die gerade im 12. Jahrhundert oft beobachtet werden kann, insbesondere bei westfälischen Familien nach Forschungen des Freiherrn v. Ledebur („Dynastische Forschungen“) und Fr. v. Klockes. Für solche „Altfreiheit“ spräche die Gerichtsbarkeit, der große Landbesitz Wilhelms, vor allem an Allodialgütern, die Verwandtschaft seiner Nachkommen mit dynastischen Familien, sein mehrmaliges Auftreten unter ausschließlich Dynasten, das Führen eines Reitersiegels bei seinen Nachkommen im 13. Jahrhundert – den Ministerialen unerlaubt -, seine zweifellos führende Stellung unter den bischöflichen Ministerialen, die Allodialgüter der Familie bis in das 14. Jahrhundert und die Führung des Titels „dominus“ im 13. Jahrhundert. (Zu dem ständischen Problem vgl. D. Fuhr. v. Dungern: Der Herrenstand im Mittelalter, Bd. I, und A. Schulte: Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, S. 24 H.) Nach seiner Herkunft müssen wir uns also in diesem Kreise umsehen.  

Helmerich v. Burnheim taucht mit seinem Bruder Giso in einer Urkunde auf, die, zwar nicht datiert, doch 1150 anzusetzen ist (Lacomblet: „Urkundenbuch z. Gesch. d. Niederrheins“, Bd. I, Nr. 370). Beide erscheinen darin als erzbischöfliche Ministerialen und als Zeugen bei einer Handlung, die sich schon um 1135 abspielte: Das Kloster Siegburg bestätigt den Kindern des verstorbenen Azzelin v. Gymnich ihre Ansprüche auf den abteilichen Fronhof daselbst.

Dieser Azzelin wird 1139 wieder mit seinem Hof zu Gymnich, der Abtei Siegburg gehörig, erwähnt (Lacomblet 1. Nr. 334). Zeuge der erzbischöfliche Ministeriale „Helpricus“. Und am 9. 1. 1107 erscheint der Ministeriale des Erzbischofs „Helmricus“ mit dem Ministerialen Azzelin bei einer Urkunde des Stiftes Gerresheim über Übergriffe von dessen Vögten als Zeuge (Knipping: Regesten z. Gesch. d. Köln. Erzbischöfe im Mittelalter, Bd. II, Nr. 44). Es handelt sich demnach jedesmal um die gleiche Person, die, 1107 doch wohl schon großjährig, mindestens um 1087 geboren sein muss. (Der 1155 urkundende vicedomus Helpricus ist aber wohl mit dem gleichen Ministerialen des Erzbischofs von Mainz identisch, der bei diesem 1150-1168 erscheint, s. Lacombl. 382, und Heinr. Beyer: „Urkundenbuch z. Gesch. d. mittelrheinischen Territorien“, Bd. I, S. 677, 682 H.) Helmerich erreichte also ein hohes Alter. Sein Sohn wird Wilhelm 1. aber nicht sein; Helmerich urkundet ab 1107, jener erst ab 1173; nie erscheint Wilhelm auch als „v. Bornheim“, trotzdem nach Lage seiner Besitzungen und dem ausdrücklichen Titel seines Sohnes als Vogt zu Bornheim nicht daran zu zweifeln ist, dass er dort wohnte. Weiter finden sich die Vornamen Helmerich und Giso, die zwar sowieso um diese Zeit seltener werden, nie in Wilhelms Familie, obwohl an den Vornamen in einem Geschlecht gerade damals meist konsequent festgehalten wurde, ein sicherer Fingerzweig für die Familienforschung. Wohl aber findet sich Giso (= Guido) bei dem Geschlecht des Azzelin v. Gymnich, zu dem bei der Lage der Orte und dem öfteren Auftreten mit Helmerich eine Verwandtschaft angenommen werden kann (über ihn und sein Geschlecht, das noch oft mit denen v. Bornheim in Beziehung treten sollte, s. E. v. Oidtmann im Aachener Geschichtsverein Bd. 30 „Das Geschl. Gymnich“; Oidtmanns Stammtafel der Schilling v. Bornheim, in der Universitätsbibliothek Köln). Jedoch ist eine Verwandtschaft Helmerichs und Wilhelms anzunehmen, vielleicht durch die Heirat einer Erbtochter – damals der üblichste Weg, in den Besitz eines Lehens zu kommen; dass Wilhelms Besitz ererbt wurde, beweist die abgerundete Lage der verschiedenen Güter in der gleichen Gegend, die nicht von einem plötzlichen Erwerb oder Kauf herrühren kann, sondern organisch gewachsen ist. Vielleicht hängt auch damit die Aufgabe der Altfreiheit zusammen.  

Wilhelm, Marschall des Kölner Erzbistums und Ministeriale, erscheint ohne Familiennamen in der fraglichen Zeit mit demselben Vornamen, und zwar zuerst 1174 als Zeuge unter lauter Dynasten, als Erzbischof Philipp (v. Heinsberg) zum Zweck eines Kriegszuges nach Italien von der Stadt Köln 1000 Mark und von Gerhard von dem Hofe 600 Mark leiht (Ennen & Eckertz: „Quellen z. Gesch. d. Stadt Köln“, Bd. I, Nr. 85); weiter 1176 beim Stift Schwarzrheindorf über dessen Vogtei zu Eitorf (Lacomblet I, Nr. 459), die aus den Händen des Grafen Robert von Nassau und seines Untervogtes eingelöst worden ist, und zuletzt im Dezember 1185 (Regesten 1253), als Erzbischof Philipp dem Kloster Mechtern bei Köln Schenkungen macht.

Schon in den Regesten wird in dem alphabetischen Personenregister durch Fragezeichen die Möglichkeit offen gelassen, dass Wilhelm 1. mit dem Marschall identisch sei. Das Verhältnis scheint aber eher das von Vater und Sohn zu sein, denn noch zu Wilhelms 1. Lebzeiten werden Marschälle aus anderen Familien erwähnt (Pilgrim, 1195, s. Lacombl. I 548, und Hermann v. Alfter 22. 1. 1197, Lacombl. 554) – warum sollte Wilhelm 1. denn den ehrenhaften Marschallposten ablegen? Vielmehr wird dieser Marschall kurz nach 1185 gestorben sein; wahrscheinlich ist er auch ein und dieselbe Person mit dem Ministerialen Wilhelm, der 1144 erscheint, wieder im Zusammenhang mit dem Kloster Siegburg und dessen Propstei zu Millen (Lacombl. 351), endlich vielleicht auch, da die Lehnsherren oft wechselten, mit dem Ministerialen der Abtei Brauweiler, der dort 1133 bei der Festsetzung eines Jahrgedächtnisses für den Abt urkundet (Lacombl. 316). WiIhelms 1. Tochter heiratet wiederum einen Marschall, er selbst stand ebenfalls dem Beamtenstab des Bischofs nahe, wie aus dem folgenden noch hervorgeht. Fahne sagt über das Erbmarschallamt (Köln. Geschl. I, S. 5): „Das Erbmarschallamt war nicht uneinträglich, es gab seinem Besitzer nicht allein das Recht, den jedesmaligen Erzbischof zu inthronisieren und die dabei übliche Gebühr zu erheben, sondern auch bei dem Tode jedes Erzbischofs dessen sämtliche Pferde und Wagen an sich zu nehmen.“

Ausführliches darüber wie über das Recht, das Aachener kaiserliche Krönungspferd zu erhalten, im Landtag zu präsidieren, auch gegen den Bischof diesen einzuberufen, den Scharfrichter zu ernennen usw. s. Pf. Giersberg: „D. Erbmarschallamt i. ehem. Erzstifte Köln“, Annalen 26.  

Fast alle die genannten urkundlichen Erwähnungen hängen mit rechtsrheinischen Gebieten zusammen, auch die ersten Wilhelms 1.; hinzu kommt noch, dass das Geschlecht sich später auch lange „Vögte zu“ nennt, also Verwalter des fremden Eigentums und zugleich dessen Beschützer – was wohl bei einer Urheimat zu Bornheim nicht der Fall wäre. Die rechtsrheinischen Erwähnungen weisen auf den bergisch- westfälischen Bezirk hin, der gerade damals in engster Beziehung kultureller und politischer Art zu dem Kölner Bistum stand. Das bergische Grafenhaus besetzte den Bischofsstuhl mehrere Male, Bruno II. residierte dort 1131-37, Friedrich II. 1156-58, Bruno III. ab 1191, Adolf I. aus der Linie Altena ab 1193, Engelbert ab 1216 (nach Ferd. Walter: „D. alte Erzstift u. d. Reichsstadt Köln“, S. 33 H.). Damit folgten naturgemäß auch manche Vasallen ihren Lehnsherren. Die Vermutung, dass darunter auch der Stammvater der späteren v. Bornheim, vielleicht der Marschall Wilhelm, der möglicherweise die Erbtochter Helmerichs ehelichte, war, erhält noch eine Erhärtung: Das Stammwappen unserer Familie, zwar erst seit der Mitte des 13. Jahrhunderts nachzuweisen, zeigt in goldenem Feld einen roten Querbalken, der silbern gegittert ist. Dies weist auf eine rechtsrheinische Wappengruppe hin, zu denen die v. Ingenhoven, v. Gent und v. Baur gehören sowie nach Fahne (Gesch. d. Westf. Geschl.) auch die Schultheiß von Soest (diese jedoch nach Fr. v. Klocke „Stud. z. Soester Gesch.“ Bd. I, S. 11 9, ein zu Ministerialen gewordener Zweig der Edelherren von Heppendorf und der edlen Vögte von Köln, also wieder das Hin und Her rechtsrheinisch-linksrheinisch bei einer bischöflichen Beamtenfamilie; zu ihr scheinen mir übrigens nach Wappen und Vornamen wie Hofstellung die v. Alfter, die Nachbarn der v. Bornheim, zu gehören). Weiter findet sich der gegitterte Balken auch teilweise bei den westfälischen v. Rhamen, v. Quernheim und bei den v. Landsberg. Die letztgenannte Familie nun führt genau die gleichen Farben mit dem gleichen Wappenbild wie die v. Bornheim. Ihre Genealogie reicht bis auf die edelfreien v. Werden in das. 11. Jahrhundert zurück; die andern Geschlechter sind nicht über das .13. Jahrhundert hinaus zurückzuverfolgen. Das Landsbergsche Wappen soll auf das Lehnsverhältnis zu den Grafen v. d. Mark, die bekanntlich im goldenen Feld einen roten, silbern geschachten Querbalken führten, hindeuten (Fr. v. Klocke nach Forschungen Philippis im „Münchener Kalender“, Jahrg. 1926, Artikel Landsberg). Das Haus v. d. Mark erscheint jedoch erst ab 1203 unter diesem Namen als Seitenlinie des bergischen Grafengeschlechts (Fahne: Westf. GeschI., S. 19), eine Verbindung Bornheim-Landsberg bzw. Werden muss indessen früher gewesen sein, wenn sie bestand.

Adolf v. Berg, 1058-68, war aber bereits Vogt zu Werden und Deutz (Gotha, Gräfl. 1938). Wappen gibt es zwar allgemein seit der Mitte des 12. Jahrhunderts, doch ist nicht anzunehmen, dass die v. Bornheim sich an das der v. d. Mark anlehnten – oder wollten sie doch einen Zusammenhang mit denen v. Landsberg dokumentieren? Ein ähnliches Prinzip der Querbalkengliederung zeigt auch das Wappen der dynastischen v. Gemen. – Der Ort Werden, 804 von Karl d. Großen zum Bistum erhoben, besaß bereits im 10. Jahrhundert vier Kirchen, ein Beweis seiner früheren Bedeutung (vgl. R. Kötzschke: D. Anfänge d. St. Werden; Beitr. z. Gesch. d. St. Werden, Heft 10, S. 3 H.).

Die Stammreihe der v. Werden beginnt mit Everhardus nobilis advocatus et dapifer der Abtei Werden, 1115. Dessen Ururenkel Philipp de Werdina, castellanus in Landsberg, nahm den Namen v. Landsberg an, den seine Söhne Wessel und Eberhard fortführten (Gothaisch. Taschenb. d. Gräfl. Häuser, 1936, S. 316). Es findet sich also einmal der Titel Vogt, dann der Vorname Eberhard, wie bei den v. Bornheim. Weiter weist das „nobilis“ eindeutig auf nichtministeriale Herkunft hin. (Mir scheinen überhaupt, wie es auch die neuere Forschung beweist, viele später gesonderte Rittergeschlechter eines Landschaftsbezirks auf einen gemeinsamen Urstamm zurückzugehen.) – Die v. Werden führten, neben dem Titel Vogt, der sie, wie das Innehaben von Hofämtern, zu den vornehmsten Ministerialenfamilien zählte, gleich den v. Bornheim u. a. auch dieselben Vornamen, nämlich Everhard, Ludolf, Wilhelm und Reinhard, in ihren ersten Generationen (vgl. Philippis Stammtafel wie die von Fuhr. Alfred v. Landsberg-Velen: „Landsberg; Jahrb. f. d. Landsbergschen Familienverband“, Jahrg. 4-7 u. 8-12). Auch dies spricht für einen gemeinsamen Stamm.  

In einer zu Soest ausgestellten Urkunde erscheint am 29.12.1149 Johann v. Burheim, Sohn Theoderichs, mit Frau Elisabeth als Kölner Ministeriale, seinem Erbgut, und dem von ihm bewohnten Hof zu Burheim, der dem Kloster in Rode übertragen wird (Regesten 474). Jedoch bezieht sich dies wohl auf Bourheim, wie auch bei Godefridus de Borheim, der 1210 Zeuge ist, als der Erzbischof der Abtei Knechtsteden das Patronat zu Friemersdorf schenkt (Lacombl. H, 32), desgleichen schon 1195 bei Knechtsteden bzw. bei dessen Abt (Regesten 1489). Wahrscheinlich nennt er sich aber nach dem Sitz Bourheim bei Jülich, gehört also nicht in unsere Familie; als de Borrheim findet er sich 1250 zu Köln (Schrnsb. 6, S. 1).

Gerade das rechtsrheinisch-westfälische Gebiet machte eines der entscheidendsten Betätigungsfelder Erzbischof Philipps I., des großen Gönners Wilhelms I., aus. Philipps außerordentlich bewusste Territorialpolitik erwarb planmäßig Burgen und Landbesitz, um sie dann den früheren Eigentümern als Lehn zu geben, was den ständischen Übergang in die Ministerialität bestimmte – die ältesten Aufzeichnungen über die Kölner Stiftsministerialität stammen aus der Regierung Philipps. Ein bewährtes Prinzip des kurkölnischen Landesherrn war auch die Niederhaltung der mächtigen Vögte, deren Einfluss sich mit der Erblichkeit der Vogtei steigerte (vgl. H. Aubin u. andere: „Gesch. d. Rheinlandes“, S. 142 H., 156). Damit hängt wohl zusammen, dass die Vogtei zu Bornheim im 13. Jahrhundert zeitweise an eine andere Familie übergeht, wie denn auch die Burg Arnolds I. v. Bornheim-Buschfeld nach dessen Tod von seinem Nachfolger fast ganz niedergerissen werden muss.